Neue Herausforderungen für die strategische Entwicklungsplanung

Der GESOBAU ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, mit den Mietern engen Kontakt zu halten und auf Grund eines attraktiven Wohnungsangebotes und der raschen Reaktion auf Beschwerden eine große Wohnzufriedenheit unter den Bewohnern des Märkischen Viertels zu erreichen. Die allgemeinen demografischen und sozioökonomischen Strukturveränderungen haben allerdings auch das Märkische Viertel erfasst. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger und Erwerbslosen ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Gleichzeitig erzwingt der Immobilienmarkt zunehmend Mietnachlässe. Zukünftig stehen rückläufigen Mieteinnahmen drastisch steigende Instandhaltungskosten gegenüber. Dadurch steht die GESOBAU vor neuen Herausforderungen für die künftige Bewirtschaftung ihrer Wohnungsbestände.

Auch wenn das Märkische Viertel gegenwärtig noch vergleichsweise geringe Entwicklungsprobleme hat, kann sich die Unzufriedenheit der Bewohner über defekte Installationen und Instandhaltungsmängel ohne eine entwicklungsstrategische Neuorientierung rasch ausweiten. Deshalb liegt es im Interesse der GESOBAU , im Sinne einer Risikovorsorge mit den Bewohnern klar umrissene Entwicklungsperspektiven für die Wohnstandortbedingungen zu erarbeiten, die den veränderten immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung tragen



Paradigmenwechsel der Entwicklungsplanung

Aus eigener wohnungswirtschaftlicher Kraft kann die GESOBAU nicht mehr gleiche Wohnstandards in allen Teilen der Großwohnsiedlung aufrecht erhalten. Statt dessen wird es neben höherwertig ausgestatteten Wohnungsbeständen solche mit minimalem Instandhaltungs- und Ausstattungsstandard geben. Dies wird mit einer zielgruppenspezifischen Vermarktung einhergehen und sich auch im Mietpreis niederschlagen, zum Beispiel bei Wohnungen mit einfachsten Standards für Wohnungsmarkteinsteiger, Familiengründer und sozial Bedürftige.

Um dem drohenden Leerstand und Verfall von Teilen des Wohnungsbestands frühzeitig entgegenzuwirken und eine Stigmatisierung des Märkischen Viertels zu verhindern, werden in Abstimmung mit den Bewohnern auch städtebauliche Umbaumaßnahmen in Betracht zu ziehen sein.

Strategieansätze für Teilgebiete

Für die Teilgebiete des Märkischen Viertels ergeben sich vor allem sechs Strategieansätze:

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Aufwertung wohnungsstruktureller und stadträumlicher Qualitäten

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Attraktivitätssteigerung des Zentrum

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räumliche Erweiterung des zentralen Grünraums und gestalterische Neuordnung in naturnahe und intensiv - vor allem für Jugendliche - nutzbare Teilbereiche

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Umbau begrenzter Teilgebiete mit städtebaulich nachbesserungsbedürftigen Wohnungsbeständen

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Privatisierung von Wohnungsbeständen, die vermarktungsfähig sind und sich nicht an entwicklungsstrategisch sensiblen Standorten befinden

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exemplarische Erprobung eines zielgruppenorientierten Bestandsumbaus im Rahmen eines Pilotprojektes

Neue Wege der Bewohnerbindung

Wohnzufriedenheit ist eine Voraussetzung für die Bewohnerbindung. Beides stellt sich ein, wenn die Bewohner in die Planung der wesentlichen Umbau- und Instandhaltungsmaßnahmen einbezogen werden. Im Märkischen Viertel sollen die Mieter künftig im Rahmen eines neuartigen Partizipationsverfahrens stärker an der Entwicklungsplanung teilhaben. Damit soll zugleich ein wirkungsvoller Beitrag zur Vermeidung von Nachbarschaftskonflikten zwischen unterschiedlichen Bewohnergruppen (Altersgruppen, ethnische Gruppen u.a.) geleistet werden.

Als Pilotprojekt wurde in einer Wohnhausgruppe mit über 600 Wohnungen im März 2003 durch die GESOBAU ein Bewohnerbeteiligungsverfahren initiiert, das seither durch das Büro UrbanPlan begleitet wird. Diese Wohnhausgruppe ist die älteste im Märkischen Viertel und liegt im Eingangsbereich des Quartiers am Anschlusspunkt an das Berliner U- und S-Bahnnetz.

In Ergänzung zu den Mitteln für die Gebäudesanierung wurde den Bewohnern ein Verfügungsfonds in Höhe von 250.000 Euro für kleinteilige Sanierungs-vorhaben und Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnatmosphäre zur Verfügung gestellt. Damit soll ein Anstoß zur Eigeninitiative und langfristigen Identifizierung mit dem Wohnquartier gegeben werden. Die Bewohnerschaft wählte einen Vergabebeirat, der über den Fonds nach Maßgabe der Mieterversammlungen eigenständig verfügen kann. Die Mieterbeteiligung, die ernsthaften Diskussionen und ein erstes Sommerfest mit Informationsständen und einem breit gefächerten Spielangebot für die Kinder haben dazu beigetragen, das konfliktbeladenen Zusammenleben der unterschiedlichen Bewohnergruppen zu entspannen und den Dialog zwischen Jugendlichen und Älteren zu fördern. Zu den beschlossenen Maßnahmen zählen:


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Anschaffung von Spielgeräten für Kinder sowie pädagogische Betreuung der Kinder durch Animateure,

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Einrichtung eines schallgedämmten Jugendraumes, in dem u.a. Karaoke-Veranstaltungen stattfinden können,

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Einrichtung von Abstellräumen für Kinderwagen, Ausstattung von Kellern mit Fahrradständern, Anschaffung von verschließbaren Motorrad-Garagen und Sicherung der Kellerverschläge,

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Erweiterung der Eingänge zu dem Müllräumen, um betriebskostensenkende Groß-Container für die Müllentsorgung einsetzen zu können,

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Schaffung neuer Sitzplätze für ältere Bewohner in den wohnungsnahen Grünflächen.


Grüne Freiräume für die Bewohner

Die großzügigen Grünräume stellen eine besondere Qualität des Märkischen Viertels dar und tragen maßgeblich zur Zufriedenheit der Bewohner bei.

Anfangs wohnten vor allem junge Familien mit Kindern im Märkischen Viertel. Dem entsprechend gibt es viele Sport- und Spielmöglichkeiten in unmittelbarer Wohnungsnähe. Doch die Bewohnerstruktur ändert sich, und älteren Menschen und Alleinstehende benötigen eine andere Art von Grünanlagen.

Pläne für die Zukunft

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Nördlich des Zentrums wurden große öffentliche Grünräume rund um attraktive Teiche geschaffen. Die begonnene Renaturierung der Verbindungsgräben soll außerhalb dieser Grünflächen weitergeführt werden. Ziel ist es, das zentrale Freiraumsystem entlang der Gräben in naturnaher Gestaltung mit den Grünflächen im Umfeld zu verknüpfen.

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Ein System unterschiedlicher Pflegestufen für die Umfelder der Wohnhausgruppen wird eingeführt, um die verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen auf Bereiche mit hohem Nutzungsdruck konzentrieren zu können.

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Sport- und Spielbereiche für Kinder und Jugendliche sollen aus dem unmittelbaren Wohnumfeld in zentrale Grünräume verlagert werden, um Lärmbeeinträchtigungen zu mindern sowie eine höhere Attraktivität und die Kombination vielfältiger Nutzungsangebote zu erreichen. Dadurch können wohnungsnahe Freiflächen Kleinkindern und älteren Bewohnern vorbehalten werden.

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Die durch den Abriss aufgelassener Infrastruktureinrichtungen entstandenen Brachflächen sollen teils für eine Übergangszeit, teils dauerhaft als neue Elemente des Freiraumsystems entwickelt werden. In einem "Funpark" sollen neue Trendsportanlagen, die nicht im unmittelbaren Wohnumfeld realisiert werden können, ihren Platz finden.

Es wird nicht möglich sein, die genannten Maßnahmen in einem Zuge zu realisieren. Aber Einzelmaßnahmen können als Bestandteil einer strategischen Entwicklungsplanung schrittweise verzahnt werden, um auf diese Weise neue Freiraumqualitäten zu schaffen und ein konfliktfreies Mit- und Nebeneinander der Bewohnergruppen im Märkischen Viertel zu ermöglichen. Mit der Erarbeitung von integrierten Entwicklungs- und Handlungsstrategien für das Märkische Viertel bemüht sich die GESOBAU gegenwärtig um Fördermittel der Europäischen Gemeinschaft.